Beschaulich und vielfältig präsentiert sich die Stadt Bad Tölz am Isarwinkel. Was man hier weniger vermuten würde, ist ein einzigartiges Zentrum, das Bergwacht, Luftrettung, Wasserrettung, Polizei und Feuerwehr ganz besondere Trainingsbedingungen bietet. Geschützt hinter Glas verbirgt sich am Sportpark ein Ort, der Trainingseinheiten unter sehr realen Bedingungen ermöglicht und dabei Risiken minimiert: das Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung.
Gemeinsam Trainieren
Für Rettungskräfte aus Bayern, Deutschland und ganz Europa ist das Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz (ZSA) die erste Adresse zum Erproben von Herausforderungen. Die Idee zur Entwicklung und Umsetzung einer Simulationsanlage mit Fokus auf die Luftrettung kam im Jahr 2003 von der Bergwacht Bayern. Ein wichtiger Baustein hierfür war, dass verschiedene Organisationen gemeinsam trainieren und sich untereinander austauschen können. Neben zwei Luftrettungssimulatoren ermöglichen seit der Umsetzung am Standort Bad Tölz auch Einbauten wie Kletterwände, Höhlenlandschaft, Seilbahngondeln, Kältekammer, Schockraum und Einsatzzentralen ein standardisiertes und realitätsnahes Üben ganz unterschiedlicher Szenarien.
Wir haben mit Roland Ampenberger, dem Pressesprecher der Bergwacht Bayern und Vorstand der Stiftung Bergwacht darüber gesprochen, welche Vorteile das Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung bietet, aber auch, was Bergfreunde beachten sollten, um reale Einsätze zu vermeiden.
Herr Ampenberger: Im ZSA können verschiedenste Szenarien erprobt werden. Welche Vorteile bietet das Zentrum gegenüber Outdoor-Trainings beispielsweise in den Alpen?
Das Zentrum bietet ganz unterschiedliche Vorteile: Allein im Hinblick auf die Planungssicherheit ist die Anlage unter Dach ideal, um Trainings zu terminieren. Viele unserer Bergwacht-Mitglieder arbeiten beispielsweise ehrenamtlich, Planungssicherheit ist daher besonders wichtig. Wir müssen uns im ZSA weder nach dem Wetter richten, noch müssen wir mit möglichen Technikausfällen kalkulieren. Darüber hinaus bietet das Zentrum Kapazität für die Beteiligung einer deutlich größeren Zahl an Helfern bei einer Übung. Die Elemente eines Rettungseinsatzes können einzeln oder auch ganzheitlich als komplettes Einsatzszenario trainiert werden: von der Alarmierung, der notfallmedizinischen Versorgung und der anschießenden Rettung mit dem Hubschrauber oder seiltechnischen Verfahren, auch zeitgleich und alles unter einem Dach.
Ein stufenweises Training sowie eine Vielzahl an Wiederholungen machen das Erlernen von Abläufen besonders effizient. Bevor es „raus“ geht, sind die Simulationen ideal, um theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten bei minimiertem Risiko zu verankern.
Welche Trainingseinheiten sind besonders hervorzuheben und so vielleicht einzigartig?
Natürlich ist die Luftrettung zentraler Punkt bei der Ausrichtung des Bergwacht-Zentrums für Sicherheit und Ausbildung. Aber auch Bergrettung und Notfallmedizin nehmen einen wichtigen Stellenwert bei uns ein. Nahezu jede Art von erschwerten Bedingungen kann bei uns nachgestellt werden. Das macht das Zentrum so einzigartig.
Auch wenn die Helfer bestens vorbereitet sind: Worauf sollten Winter- und Bergsportler generell achten, um Notsituationen zu vermeiden?
In der freien Natur gilt immer „Draußen ist anders“ – der Fels ist keine Kletterhalle und alpines Gelände kein Stadtpark. Auch bei guter Infrastruktur, wie wir sie in vielen Teilen von Oberbayern vorfinden, bewegen wir uns in einem Naturraum. Das Bewusstsein hierfür ist besonders wichtig: Wenn einen unterwegs die Kraft verlässt oder das Wetter umschlägt, ist ein spontaner Abbruch der Aktivitäten kaum möglich. Aber man kann sich so gut es geht vorbereiten. Das beginnt schon bei der Wahl vom allgemeinen Equipment wie dem richtigen Schuhwerk, das auf Können, Art der Unternehmung und Terrain abgestimmt sein sollte. Außerdem gehört in jedem Fall Wetterschutz ins Gepäck. Hier sollte man immer bedenken, dass die Temperaturen am Berg in aller Regel niedriger sind, als im Tal. Auch ein Erste-Hilfe-Set ist unverzichtbar, genau wie Proviant und ein (geladenes!) Mobiltelefon.
Ski- oder Schneeschuhtouren verlangen zudem ein gewisses Know-how und entsprechende Ausrüstung. Vor jedem Aufbruch ist Planung gefragt: Welche Route wird gewählt und kann man selbst, sowie alle Gruppenmitglieder diese auch bewältigen? Stimmen die Wetterbedingungen? Und wie ist zum Beispiel das gegenwärtige Lawinenrisiko? So verlockend eine Tour auch sein mag: Sicherheit geht vor! Am Berg gilt es mit Reserven unterwegs sein, zu wissen was man kann, und noch wichtiger zu wissen -was man nicht kann.
Ein Ernstfall tritt ein: Was sollten Betroffene und Ersthelfer am Berg beachten?
Oberste Priorität hat gerade jetzt die eigene Sicherheit. Helfer sollten sich nicht selbst in Gefahr bringen! Wie auch im Tal wählt man am besten die klassische 112 Notrufnummer und gibt alle relevanten Daten durch. Besonders wichtig, ist hierfür eine möglichst exakte Standortbestimmung. Auch nach Absetzen des Notrufs sollten Betroffene stets erreichbar bleiben, also die Leitung freihalten und möglichst eine Position mit Mobilfunk-Empfang beibehalten. Atmung und Kreislauf von Betroffenen sollten überwacht werden und nicht zuletzt der Wärmehaushalt. Es wird oft unterschätzt, wie schnell der Körper in Notsituationen auskühlt. Warme Kleidung, Getränke, eine Rettungsdecke oder ein Biwaksack schaffen Abhilfe. Letzterer ist zudem durch seine Signalfarbe gut sichtbar für die eintreffenden Retter.
Das ZSA bietet Trainings für die Profis. Gibt es auch Angebote/Schulungen für Privatpersonen oder beispielsweise einen Tag der offenen Tür, um Einblicke in die Arbeit zu bekommen?
Das Angebot des ZSA richtet sich tatsächlich ausschließlich an Einsatzkräfte. Besucher können durch die offene Glas-Konstruktion aber immer wieder spannende Einblicke in die Übungsabläufe erhaschen. Privatpersonen empfehlen wir Lehrgänge, die zum Beispiel beim Deutschen Alpenverein (DAV) oder Bergsportschulen gebucht werden können.
Herzlichen Dank an Herrn Ampenberger für einen Einblick in die Arbeit des Bergwacht-Zentrums für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz und die wertvollen Tipps.
Was uns im Gespräch überrascht hat, ist die Tatsache, dass die Bergwacht Bayern ihre wichtige Arbeit sowie ihre Vorreiterrolle in Sachen Ausbildung nur zum Teil aus den Einsätzen (Erstattungen durch Krankenkassen etc.), sowie die Förderung durch den Freistaat finanzieren kann. Zu etwa einem Drittel müssen die Kosten aus Spenden abgedeckt werden.
Spendenkonto Stiftung Bergwacht
IBAN: DE92 7005 4306 0011 1111 50
BIC: BYLADEM1WOR
Die Bergwacht Bayern stellt den Rettungsdienst in den Bayerischen Alpen und Mittelgebirge sicher. Rund 3500 Bergretter:innen engagieren sich ehrenamtlich in den 109 Bereitschaften und für die Rettung von Menschen. Daneben leisten die Aktiven auch unterstützende Arbeit im Bereich Natur- und Umweltschutz.