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Heimatgfui zum Anziehn: Die Tracht 

Tradition zum Miterleben

Endlich geht’s wieder aufs Oktoberfest. Es lockt die unvergleichliche Wiesn-Stimmung, das bayerische Bier und nicht zu vergessen: die traditionelle Tracht. Aber ist das Festgewand wirklich so ursprünglich wie wir glauben? Und wie kam es eigentlich auf die Theresienwiese? 

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Die Geschichte der Tracht 

Das Wort “Tracht” bedeutet ursprünglich schlicht und einfach “tragen”. Die Bezeichnung Dirndl leitet sich von dem Begriff „Dirne“ ab. So wurden im 19. Jahrhundert die Mägde bezeichnet, die auf den Bauernhöfen in Bayern und Österreich arbeiteten. Das damals typische Arbeitsgewand bestand lange nicht aus den heutigen hochwertigen und schön anmutenden Stoffen, denn es musste praktisch und widerstandsfähig für die Arbeit im Stall oder auf dem Feld sein. Gleiches galt für die Lederhose, welche durch ihr robustes und widerstandsfähiges Material ideal für körperlich schwere Arbeit war. Als festliche Kleidung waren die Gewänder demnach ganz und gar nicht ausgelegt… 


Als 1810 König Ludwig I. und Therese von Sachsen-Hildburghausen heirateten, hielten Trachten jedoch gleich auf dem ersten Oktoberfest feierlich Einzug: Zum Auftakt fand ein Umzug mit 16 Kinderpaaren aus verschiedenen Regionen statt. Die gezeigten Gewänder waren zwar angelehnt an die dortige Alltagskleidung, aber dennoch deutlich schicker, als ihre Vorbilder. 

Der Wandel von der Arbeitskluft zum gehypten Traditionskleid wurde um 1930 noch weiter vorangetrieben: Städterinnen fanden beim Urlaub in den Bergen Gefallen an der Kleidung der Dienstmägde und interpretierten die unglamouröse Tracht neu. Des Weiteren wurde der neue Dirndl-Trend durch diverse Operetten befeuert. Was wir heute als Festgewand einordnen, entstammt vor allem der Werbung von Modehäusern.  

Das Lederhosn-Archiv 

Bevor wir hier allerdings den historischen Rahmen sprengen, möchten wir Ihnen einen Besuch im Zentrum für Trachtengewand des Bezirks Oberbayern ans Herz legen. Dieses weltweit einzigartige Zentrum für die Erforschung, Sammlung und Veröffentlichung historischer oberbayerischer Kleidungskultur befindet sich auf dem Gelände des Klosters Benediktbeuern. Es beherbergt rund 20.000 Original-Kleidungsstücke und Accessoires aus drei Jahrhunderten, ca. 40.000 Fotografien  und vieles mehr. Lernen werden Interessierte hier vor allem eines:  Die regionale Gewandkultur hat sich schon immer an der Mode orientiert. Für Zentrumsleiter Alexander Wandinger ist die Tracht damit sogar das Gegenteil von Bewahren und Tradition: „Jede Generation hat das, was vorgegeben war, immer wieder erneuert und ersetzt.“ 

© erlebe.bayern – Peter von Felbert

Werfen wir an dieser Stelle also einen Blick auf die heutigen Details. Hier kommt unser kleiner Trachten-Guide für Wiesn-Gäste: 

Wo die Schleife hingehört 

Eine Frage, die wohl bis in alle Ewigkeit gestellt werden wird: Auf welcher Seite wird gleich wieder die Schürze gebunden? Grundsätzlich gilt folgendes: Ist man verheiratet, wird die Schleife rechts gebunden. Dementsprechend tragen alle ledigen und Single-Frauen die Schleife auf der linken Seite. Bei Kindern bindet man die Schleife hinten in der Mitte. 

Rock und Bluse 

Ein Dirndl kann in schier unendlichen Varianten getragen werden. Doch ein bestimmtes Detail grenzt Kenner signifikant von Dirndl-Laien ab: die Rocklänge. Bei der mode- und traditionsbewussten Wiesnbesucherin sollte der Dirndlrock mindestens das Knie bedecken. 

Je nach Geschmack kann dazu eine Bluse mit kurzen, dreiviertel oder  langen Ärmeln gewählt werden. Der Ausschnitt der Bluse sollte auf den Schnitt des Dirndls angepasst sein. Bevorzugte Farbe: weiß. 

Trachtig von Kopf bis Fuß 

Nun gilt es den Look abzurunden: Sowohl dem Schuhwerk, als auch der Frisur sollte die nötige Beachtung geschenkt werden. Ideal eignen sich halbhohe Schuhe, gern aus Wildleder und mit Riemen, farblich passend zum restlichen Outfit. 

Die perfekte Dirndl-Frisur reicht von verschiedenen Flechtungen und dezentem Blumenschmuck bis hin zu Steck-Varianten und offenem Haar. 

Leder und Leinen 

Das wichtigste Element der Tracht für Männer ist zweifelsohne die Lederhose. Sie ist grundsätzlich sehr langlebig, besteht meist aus Hirschleder, aber auch Ziegen-, Rinder- oder Wildschweinleder sind vertreten. Charakteristisch ist ein auffälliger Hosenlatz mit handbestickten, individuellen Mustern. Ob man eine kurze Lederhose, eine Kniebundhose oder eine lange Hose wählt, liegt ganz beim persönlichen Geschmack. Gleiches gilt übrigens für Hosenträger.

Ein klassisches Wiesn-Hemd wäre ein rot oder blau kariertes aus Baumwolle, edler kommt man mit einem weißen Hemd aus Leinen daher. Als Ergänzung gibt es Weste, Trachtenjacke und -schuhe. Je nach Präferenz wählt man(n) dann noch  kurze Trachtensocken, Strümpfe bis knapp unters Knie, oder aber traditionelle Loferl, welche lediglich einen Teil der Wade bedecken. 

Hauptsach a Gaudi! 

Neben all den Ratschlägen und Richtlinien zum Outfit vergessen Sie bitte Eines nicht: Tragen Sie, worin Sie sich wohlfühlen, denn dann wird’s a Fetzngaudi. Für uns Oberbayern is a Tracht ohnehin sowas, wie a Heimatgfui zum Anziehn. Und was könnte sich besser anfühlen? Also ab auf die Wiesn und Prost! 

Psst: Wer noch mehr moderne Ideen für sein Trachtengewand sucht, findet hier übrigens Inspiration zur „Lederhosn reloaded“…

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